Du bist, was die Hoffnung aus dir macht

Predigt 2020-11-15

Predigt im ZDF-Fernsehgottesdienst am 15. November 2020 aus St. Rabanus Maurus, Mainz

Liebe Brüder und Schwestern,

feierlicher Fanfarenklang, zu diesem Evangelium???

Ja, auch das ist das Evangelium unseres Herrn Jesus Christus. Und ich frage mich, was bringt Jesus dazu, so streng zu sein? Der, der wenig hat, dem wird auch noch das genommen, was er hat, und dann wird er auch noch hinausgeworfen. Das berührt mich schon. Was macht diesen Jesus denn so wütend? Und ich habe da eine Idee, die ich gerade in diesen Tagen bekomme, wenn ich so in die Welt hineinschaue.

Eine Welt, in der junge Leute sich beklagen, dass sie nur noch ganz wenig Möglichkeiten haben, sich mit Freunden zu treffen und zu feiern. Wo es Menschen gibt, die auf die Straße gehen und sagen: Ach, das mit dem Corona, das ist doch sowieso alles gelogen, wir machen immer so weiter wie jetzt. Wir wollen uns nicht einschränken. Und es gibt natürlich auch Menschen, und manche auch unter ihnen, die jetzt hier mit uns Gottesdienst feiern, die feiern mit und sagen: Wenn ich mein Leben anschaue, da ist nicht mehr viel. Ich hatte vielleicht mal viel. Aber jetzt habe ich nicht mehr so ganz viel, mir ist Gesundheit genommen. Oder: Es war mal toll in meiner Familie, aber es ist nicht mehr so. Und auch die Rente ist ganz schön klein, ich muss wirklich aufpassen und zählen …

Und die Folge von diesem „Wenig denken“, die Folge von der Konzentration auf das was ich noch habe – und noch schlimmer, auf das was ich nicht habe, weil die anderen, die haben ja viel, die können was, die haben es geschafft, die haben tollen Gesang, die können Geld verdienen, die haben einen tollen Beruf. Der Blick auf die anderen, und das „Wenig denken“ von sich, dieses beides, das lähmt. Lähmt den Glauben, lähmt die Hoffnung und manchmal lähmt es sogar auch die Liebe, weil die Folge vom Starren auf das Wenige ist tatsächlich nicht nur, dass ich das Wenige verstecke, weil ich mich schäme, krank zu sein, weil ich mich schäme, das einer meiner Kinder tatsächlich eine Scheidung hat und das kann ich doch gar nicht erzählen bei meinen katholischen Freunden. Weil ich mich schäme, dass ich jetzt einiges vergesse und nicht mehr so toll reagieren kann. Das ich nicht nur das dann verstecke, sondern am Ende auch mich selber. Dann wird das Leben sehr stumm. Und ich glaube, dass Jesus das genau gespürt hat, dass Menschen so sind. Das sie anfangen, sich zu verstecken mit dem Wenigen, was sie haben. Ich bin mal gespannt was der Herr Trump machen wird, wenn er am Ende gar nichts mehr hat, außer noch ein bisschen Pension. Das wird nicht ganz wenig sein, aber er hat diese Macht nicht mehr.

Oder die Kirche, jetzt wo wieder von den Missbrauchsfällen manches hervorkommt, bis zum Kardinal, Leute ganz bloß dastehen, dass sie vertuscht haben und nicht die Richtigen gestärkt haben, nämlich die, die von Missbrauch getroffen sind. Die Kirche wird auch immer weniger. Und was machen wir jetzt? Vergraben wir uns? Verstecken wir uns?

Liebe Schwestern und Brüder, Jesus ist von Gott in die Welt gesandt worden – bitte dran denken, wir feiern bald Weihnachten – nicht als großer Chef, nicht als einer, der die Karriereleiter hochgeht. Gott kommt in diese Welt als Mensch in Situationen hinein, die beschämend und klein sind. Das kleine Mädchen Maria, da wird Gott Mensch. Uneheliches Kind. Was die Leute wohl gesagt haben?

Dieser Fresser und Säufer, der sich mit Leuten am Rande aufhält. Einer der sich mit den Kleinen der Gesellschaft befreundet. So fängt Gott an, seine Fülle in der Welt zu entfalten.

Und dieser Kleine Joshua, wenn er nicht gewesen wäre, dann würde ich hier jetzt nicht stehen und Sie würden mir jetzt nicht zuschauen. Aus diesem kleinen Jesus, aus diesem einen kleinen Talent, da ist etwas auferstanden und gewachsen, in die Welt hinein, was die Menschen aller Völker und Nationen berührt und sie spüren lässt: Mensch, wir müssen ganz neu lernen. Wir müssen neu lernen, dass wir uns nicht beurteilen dürfen nach dem was einer ist, was er in der Tasche hat und was er alles kann, sondern was Gott ihm zugeteilt hat.

Jeden nach seinen Fähigkeiten. Ich kann nicht so toll singen wir ihr Musiker hier. Ein bisschen singen kann ich auch, werden wir gleich hören, aber so toll und mehrstimmig … Trompete spielen, Orgel spielen, in der Welt sich bewähren – kann ich vielleicht gar nicht so gut. Ich kann jetzt hier reden und sprechen mit den Fähigkeiten die Gott mir zugeteilt hat. Und da schäme ich mich auch gar nicht – wie man vielleicht merkt. Ich lade Sie ein, dass Sie heute Morgen mit mir feiern diesen Jesus von Nazareth, der auch heute Morgen in seinem Wort zu Ihnen nach Hause kommt.

Wie er sich zu Ihnen setzt und zu ihnen sagt: Schau, ich habe Dir genau das Talent zugeteilt nach deinen Fähigkeiten. Du bist es den ich kenne und den ich geschaffen habe jetzt mit diesem Talent etwas zu machen. Und sag´ mir bloß nicht, dass ich Dir etwas weggenommen habe. Vielleicht war manches jetzt auch gar nicht mehr nötig, damit du noch mehr lieben lernen kannst, Glauben lernen kannst, Hoffen lernen kannst.

Und wenn Sie gleich die Hostie sehen und die Heilige Kommunion geistlich empfangen, in diesem wenigem Brot wir Christus in der ganzen Fülle, heute Morgen, wieder in diese große Gottesdienstgemeinde kommen, die er heute um sich gesammelt hat. Gott denkt groß von Dir. Und das Talent was er Dir zugeteilt hat, das ist genau das Richtige und darum kannst Du stolz darauf sein. Auch wenn Du vielleicht jetzt wenig fühlst in den Augen der Welt. Gott wohnt in Dir, er macht Dich groß und dann setzt das auch ein. Ich habe jetzt gehört, dass in einer Gemeinde nicht über Weihnachten geklagt wird, was man alles nicht machen kann. Sondern: Da wird ein Weihnachtsbaum auf einen LKW montiert und eine kleine Gruppe wird Heiligabend von Straße zu Straße ziehen und mit den Leuten an den Fenstern Weihnachten feiern. Oder: Sie haben vielleicht jetzt Zoom gelernt, vielleicht mit 80. „Ich kann elektronisch mit meinen Enkeln sprechen“. Toll.
Das Wenige nicht verstecken, sondern einfach zeigen und sagen, Gott hat es mir geschenkt. Und das setze ich jetzt ein.

Amen.